Ein Gedanke zur Differenz, nicht nur der des politischen rechts und links.
Konservativität (nicht nur politisch „rechte“) ist ein erforderlicher Part zu einer Innovativität (nicht nur politisch „linke“), so der Grundgedanke: Das Rad, das sich zu schnell dreht, reißt auseinander, jenes, das sich zu langsam dreht, kann sich in seinem Lauf nicht stabilisieren; dieses, das sich in gleicher Geschwindigkeit dreht, ist monoton, und eines, das sich gar nicht bewegt, ist monolithisch.
Um das Gleichgewicht beim Fahrrad fahren zu erlangen braucht es eine gewisse Geschwindigkeit, doch wird’s zu schnell, verliert sich die Kontrolle (freilich ist dieses „zu schnell“ relativ und eine Frage der Technik und des Könnens). Einem oder einer überwiegend „Linken“ ‑und im hier dargelegten Sinn also einer oder einem, der oder die in der Wahl die Innovation der Konservierung im Allgemeinen vorzieht- kann fassbar werden, dass die konservative Haltung kein Feind der Innovation ist, sondern deren zuweilen notwendiger und hilfreicher Bremsschuh. Und einer oder einem überwiegend „Rechten“ ist dagegen klar zu machen, dass das Innovative (und damit noch ungewohnte) nicht zwangsläufig eine Aushöhlung und Verwerfung des Bestehenden bedeutet, sondern den Stoff liefert, das Bestehende zu überdenken. Wie wiederum das Althergebrachte den Grund liefert, das neu Hinzukommende in Frage zu stellen. Wichtig ist im Kern des Gedankens nur, dass nicht versucht wird, die Kraft, die aus einer Differenz wie der von Konservativ und Innovativ ins Fließen kommt und letztlich im Weltenwandel wahrnehmbar wird, in einer „Mitte“ – und schon gar nicht in einer autoritären, die auf’s Erste gar nicht als „Mitte“ erkennbar ist, zeigt sie sich doch als ein „höchstes Zentrum“ – einzupferchen, sie „beherrschen“ zu wollen ohne sie zum Erliegen zu bringen.
In der Physik mag so etwas angehen und der Menschheit irgendwann vielleicht einmal nie versiegende Energie, Warp-Antrieb und womöglich gar Weltfrieden liefern. In einer Gesellschaft ist es reinstes, tödlichstes Gift. Das Menschliche und mithin Politische ist gänzlich unphysikalisch und unmathematisch, ja, es entzieht sich zuweilen sogar der Logik, mögen auch errechnete Modelle das Menschliche berechnen und dieses hin und wieder, jedoch wohl eher kontingent, erklärbar oder zumindest durchschaubar machen.
Was sich zusammen in der „Mitte“ vereinigt oder sich – ob allein oder nicht – auf die „Spitze des Zentrums“ stellt und so die Differenz aufzuheben versucht, kann sich nicht im Differenzieren üben, sondern ist zur Verwaltung der Extremen verdammt. Extreme, die sie durch einen Zusammenschluss, technisch verstanden vielleicht ein Kurzschluss (im politischen Alltag auch eine Koalition des angeblich Konservativen mit dem angeblich Innovativen), selbst erzeugt hat und sich so einer demokratischen Illusion real existierender Opposition hingeben kann. Provokant und polemisch formuliert: Was alle Differenzen in Kompromissen oder alternativlosen Kompressen aufheben will, ist wohl als ‚lupenrein Demokratisches‘ zu bezeichnen. Oder die Differenzen gibt es gar nicht. Doch die Aufhebung aller Differenz obliegt alleinig dem Tod.
Die Lebenden haben sich dazu zu verhalten. Und nicht nur das Leben findet immer einen Weg, eine Differenz zu generieren. Je schwächer die Kraft, desto mächtiger die Energie zur Generierung von Differenz, bis hin zur Gewalt. Denn der Kraft Natur ist das Wirken, das durch Wandel die Energie erzeugt, die die Kraft zum Wirken braucht. Und die kreative Kraft kann schon von einer kleinen Differenz ausgehen. Nicht nur Geburten von Lebewesen sind wohl ein guter Beleg dafür. Das Leben selbst hat seinen Grund womöglich in einer klitzekleinen, aber unüberwindlichen, unvereinbaren, unaufhebbaren Differenz – und nicht in einem sich gegenseitig aufheben wollenden Gegenteil.