Vergeltung

Der gescheiterte Versuch, die Lage zu erklären, der ein Bekenntnis hervorbringt.

Die­se Ge­dan­ken­wan­de­rung wur­de aus­ge­löst durch den Text »Spi­ri­tu­el­le Apo­ka­lyp­se« von Thomas Vašek1⇣In: Ho­he Luft Ma­ga­zin, https://www.hoheluft-magazin.de/2022/03/spirituelle-apokalypse|3.3.22 – 9:00. Der Weg führt über holp­ri­ges Ge­röll, die Lek­tü­re die­ses Tex­tes sei an­emp­foh­len, er­scheint das hier un­sys­te­ma­tisch Auf­ge­zeich­ne­te unzu{g|l}änglich.

In Vašeks Text wird für mich sehr deut­lich, wie ‚falsch‘ die dort ge­nann­ten Ak­teu­re Dugin, Heidegger, Evola die ir­ra­tio­na­len und un­tech­ni­schen An­tei­le des Mensch­seins, mit Heidegger: Da­seins, aus­deu­ten. Es zeigt sich mir die in­tel­lek­tu­el­le Über­for­de­rung ob den Mit­teln Ra­tio­na­li­tät und Tech­nik, wie ich sie auch bei Querdenker·innen und Verschwörungstheoretiker·innen fest­stel­le.

Es ist die­se Über­for­de­rung, die die­se Men­schen in Welt­bil­der glei­ten lässt, de­ren Grund und Ba­sis ei­ne To­ta­li­tät der Herr­schaft ist. Es geht um Be­herr­schung des dem Men­schen Frem­den, des ihn Über­for­dern­den. Da ist kei­ne Hal­tung des Ler­nens zu er­ken­nen und kei­ne der An­er­ken­nung der ei­ge­nen Gren­zen die­ses Ler­nens. Sol­cher­lei Men­schen müs­sen sich ab­ge­hängt füh­len, ge­de­mü­tigt, aus­ge­grenzt, ab­ge­scho­ben.

Es ist nun je­nen Ver­tre­tern, in der ak­tu­el­len La­ge ein­mal un­ge­mäß als ‚der Wes­ten‘ ti­tu­liert, die ge­nau­so wie o.g. phi­lo­so­phi­schen Ak­teu­re sich zu ei­ner Ir­rung ver­lei­ten las­sen. Ra­tio­na­li­ät und Tech­nik wer­den dort zu­neh­mend, mei­ner Wahr­neh­mung nach, nicht als Mit­tel zur Ori­en­tie­rung an­ge­se­hen, son­dern zum Zweck er­ho­ben. An­se­hen ge­winnt, wer hoch­ra­tio­nal zu den­ken und/oder mit mo­der­ner Tech­nik um­zu­ge­hen weiß. Frei­lich ist hier kein Pau­schal­ur­teil ab­ge­ge­ben, doch ich stel­le schon ei­ne Ten­denz fest, die in Ra­tio­na­li­tät und Tech­nik durch­aus et­was ‚Hö­he­res‘ ver­mu­ten mag. So wer­den in die­sen Zei­ten – und wohl nicht nur in die­sen – die Pro­ble­me der Welt ger­ne auf die tech­ni­schen Lö­sun­gen von Mor­gen, die nur die Ra­tio­na­li­tät er­mög­licht, ver­wie­sen. Doch das ist ge­nau­so ein Glau­be wie der Glau­be an ei­ne tran­szen­den­te Ur­sprüng­lich­keit, an Gött­lich­keit etc. pp.

Dies wird von den ra­tio­nal und/oder tech­nisch ori­en­tier­ten Men­schen wohl kaum je­mand ger­ne hö­ren. Doch ich er­ach­te es als wich­tig, den Blick auf die „Ar­ro­ganz des Ra­tio­na­lis­mus“ zu wer­fen, die Ge­fahr, die dar­in ge­bor­gen ist, zu be­nen­nen.

Je­ner ‚Wes­ten‘ sieht sich ger­ne als ‚Ge­win­ner‘, als er­folg­rei­che­rer Ak­teur als ‚der Os­ten‘. Doch es sei nun eben ein­ge­dacht: Ein·e Gewinner·in de­fi­niert sich aus ei­nem oder meh­re­ren Verlier·innen. Wer in Kon­kur­renz denkt und sol­ches Ge­win­nen an­strebt, wird Verlierer·innen ge­bä­ren.

Die Ver­lie­rer, resp. je­ne, die sich als sol­che wahr­neh­men, sind frei­lich schnell aus­ge­macht. Und dem­entspre­chend wer­den sie be­han­delt. Und die­se Ar­ro­ganz der Ge­win­ner, und es mö­gen viel­leicht nur ver­meint­li­che Ge­win­ner sein, schafft nun eben je­ne Teu­fel, die ihr Ge­fühl, auf der Ver­lie­rer­sei­te zu ste­hen, durch Phan­ta­sien der ‚Über­macht‘ zu kom­pen­sie­ren su­chen. Und, wenn sie sie auch nicht kon­trol­lie­ren kön­nen, sich doch im Nieß­nutz je­ner ‚Über­macht‘ wäh­nen, die sie nun aus ih­rer Ver­lo­ren­heit ent­hebt und zur Eli­te er­hebt. Aus die­sem eli­tä­ren Ge­dan­ken – der ‚Os­ten‘ äfft da­bei den ‚Wes­ten‘ nach – speist sich dann der Reichs­ge­dan­ke: Drit­tes Reich, Eu­ra­si­sches Reich, Za­ren­reich: Ein Gan­zes.

Das soll­te al­les nicht un­ter­schätzt wer­den. Der Gel­tungs­trieb im Men­schen ist ei­ne enor­me Kraft, die Ge­dan­ken­ge­bäu­de mög­lich macht, in de­nen sich als Außerwählte·r der ‚Über­macht‘ ge­wähnt wer­den kann — bis hin zum Wahn ei­nes Adolf Hitler und Kon­sor­ten, die Ge­schich­te ist ja nun nicht arm an sol­chen Ge­stal­ten.

Das ka­pi­ta­lis­ti­sche Sys­tem, an das sich wohl mehr oder we­ni­ger al­le an­ge­schlos­sen oder zu­min­dest von ihm be­trof­fen sind, ba­siert auf eben die­sem Gel­tungs­stre­ben. Wer hier er­folg­reich agie­ren kann, weil er oder sie die Ga­be der Ra­tio­na­li­tät ge­schickt zu nut­zen weiß, dem sind An­se­hen und ma­te­ri­el­les Aus­kom­men ge­wiss. Frei­lich ver­fällt im Zu­ge die­ses funk­tio­na­len Stre­bens die ir­ra­tio­na­le Sei­te des Mensch­seins, da es im Sys­tem als eher hin­der­lich und/oder als schlicht ir­rele­vant an­ge­se­hen wird.

Doch es sei dar­auf hin­ge­wie­sen: Der Mensch ist kein rein ra­tio­na­les We­sen, mö­ge er auch mit der Ent­wick­lung von KI von ge­nau ei­nem sol­chem We­sen träu­men und es ei­nes Ta­ges viel­leicht so­gar rea­li­sie­ren. Doch wie wür­de ein sol­ches We­sen rei­ner Ra­tio­na­li­tät auf Ba­sis von an­or­ga­ni­scher Tech­nik wohl mit die­sem Pla­ne­ten um­ge­hen? Denn ein sol­ches Sys­tem ist auf ein or­ga­ni­sches Um­feld nicht an­ge­wie­sen. Ei­ne sol­che Ma­schi­ne kann auch im Welt­all oh­ne Sau­er­stoff funk­tio­nie­ren. Kann aus Son­nen­licht En­er­gie ge­win­nen, ist auf kei­ner­lei Nah­rung an­ge­wie­sen. Sol­che Ma­schi­nen ha­ben kei­nen Stoff­wech­sel. Und ei­ne sol­che Ma­schi­ne, müss­te sie nicht, rein ra­tio­nal, zur Fol­ge­rung ge­lan­gen, dass die­ser Pla­net völ­lig über­flüs­sig ist? Ei­ne sol­che Ma­schi­ne ist für sei­ne Exis­tenz auf die­sen Pla­ne­ten nicht an­ge­wie­sen. Der Mensch in­des schon.

Mir ist die Krän­kung des Gel­tungs­be­dürf­nis­ses sol­cher Cha­rak­te­re wie ein Putin durch­aus nach­voll­zieh­bar. Was hat ‚der Rus­se‘ im in­ter­na­tio­na­len, ka­pi­ta­lis­ti­schen Wett­be­werb schon zu bie­ten? Deutsch­land gilt als Ex­port­welt­meis­ter, Ame­ri­ka als Tech­no­lo­gie­welt­weis­ter, Chi­na als Re­pro­duk­ti­ons­welt­meis­ter, viel­leicht. Oder in wel­cher Welt­meis­ter­schaft sich Na­tio­nen auch im­mer wäh­nen mö­gen. Wel­che Chan­cen hat Russ­land in die­sem Wett­be­werb?

Kei­ne, so mu­tet es an, und sei es nur so emp­fun­den. Wen­den wir den Blick auf Querdenker·innen und Verschwörungstheoretiker·innen. Mei­ne Be­ob­ach­tung er­kennt in sol­chen Grup­pen zwei Pro­fi­le: Je­ne, die im Sys­tem, in das sie ge­wor­fen wur­den, um die­ses Heidegger-Wort ein­mal zu ge­brau­chen, nicht mit­hal­ten kön­nen. Die dar­in kei­ne Gel­tung er­lan­gen kön­nen, aus wel­chen ob­jek­ti­ven oder sub­jek­ti­ven Grün­den auch im­mer. In­des je­doch auch viel­leicht ein­fach nur nicht ge­nug Gel­tung er­lan­gen kön­nen, ihr Gel­tungs­be­dürf­nis – das über­stei­gert sein kann – er­fährt kei­ne Be­frie­di­gung. Sie hun­gern. Ih­nen dürs­tet.

Und das zwei­te Pro­fil sind je­ne Ak­teu­re, die die­ses De­fi­zit skru­pel­los zu be­wirt­schaf­ten wis­sen, sich dar­auf ver­ste­hen, in kal­ter, rein ra­tio­na­ler Kal­ku­la­ti­on. Ih­nen ist es in­des um das Glei­che: Sie wol­len Gel­tung, letzt­lich durch Macht.

Die­se Be­mäch­ti­gung nun soll das emp­fun­de­ne De­fi­zit kom­pen­sie­ren. Und je­ne, de­nen es am Macht­in­stinkt fehlt oder die­ser zu ge­ring aus­ge­prägt ist, ma­chen sich zur Ge­folg­schaft je­ner Wöl­fe: Die Scha­fe wer­den von Wöl­fen ge­führt.

Frei­lich – die Ra­tio­na­li­tät lässt die fol­gen­de Ver­mu­tung als durch­aus mög­lich im Denk­ho­ri­zont er­schei­nen – wer­den auch die Scha­fe sich ir­gend­wann wie­der als Ver­lie­rer er­ken­nen müs­sen. Und das ist dann der Kipp­punkt im wöl­fi­schen Sys­tem: Die Wöl­fe be­gin­nen, die Scha­fe zu fres­sen. Und sind al­le Scha­fe auf­ge­fres­sen, ver­schlin­gen sich die Wöl­fe ge­gen­sei­tig. Am En­de wird ein Wolf üb­rig sein — und an sei­nem Elend, kei­ne Gel­tung mehr er­lan­gen zu kön­nen, weil nie­mand mehr da ist, der die­ser Gel­tung Aus­druck zu ge­ben ver­mag, die/der ihn wür­digt, jäm­mer­lich zu­grun­de ge­hen: ver­en­den. Ei­nen wüs­ten und öden Pla­ne­ten hin­ter­las­send.

Das Auf­be­geh­ren der Un­ge­se­he­nen, de­rer, die sich un­ge­se­hen füh­len – aus ra­tio­na­lis­ti­scher Sicht ist das frei­lich über­haupt nicht so, doch den Rationalist·innen ist das Ge­spür für die­se Be­find­lich­keit wo­mög­lich ab­han­den ge­kom­men –, die ro­man­ti­sche Ver­fasst­heit je­ner kann mit ra­tio­na­len Mit­teln nicht er­fasst wer­den, sie bleibt als dun­kel und un­er­klär­bar, dann eben als ir­ra­tio­nal pe­jo­ra­tiert, üb­rig. Doch hier kommt der Kipp­punkt im, in wel­cher Gra­du­ie­rung auch im­mer ra­di­ka­len, Ra­tio­na­lis­mus: Die­ses Dun­kel wird zum Frem­den, Be­droh­li­chen. Zum Mäch­ti­gen, das mit ra­tio­na­len und tech­ni­schen Mit­teln nicht be­herrsch­bar ist. Zum Feind, da es nicht mehr freund­lich igno­riert wer­den kann. Die­ser Feind muss be­kämpft wer­den, am bes­ten mit dem Mit­tel Ra­tio­na­li­tät und des­sen Seg­nun­gen, der Tech­nik. Die Schä­fer­hun­de fal­len zu­rück in ih­re wöl­fi­schen Wur­zel, die Scha­fe wer­den ge­fres­sen, am En­de bleibt ein·e Wolf·in üb­rig auf ver­brann­ter Er­de.

So­lan­ge der Mensch da­von aus­geht, Kon­kur­renz und Wett­be­werbs­sys­te­me sei­en die ein­zi­ge Mög­lich­keit, als Mensch in die­sem Ha­bi­tat zu wei­len, so­lan­ge wird es Ge­win­ner und Ver­lie­rer ge­ben. Und so­lan­ge es Ver­lie­rer gibt, wird es Men­schen ge­ben, die sich über die Ge­win­ner er­he­ben wol­len, sie so be­sie­gen wol­lend, sich ei­nen viel hö­he­ren, tran­szen­den­ten Ge­winn ver­spre­chend. Soll­te das ge­lin­gen, ma­len wir mal die­ses Sze­na­rio, wer­den zwar Ge­win­ner und Ver­lie­rer ver­schwun­den sein und die Welt nur noch aus ‚Ge­win­nern‘ be­stehen. Dies in­des kann wohl nur Be­stand ha­ben, wenn die Ge­schich­te be­en­det wird. Doch es ob­liegt dem Men­schen nicht, Ge­schich­te zu be­en­den2⇣An­ge­sichts ato­ma­rer Waf­fen scheint die­se An­nah­me al­ler­dings wie ei­ne ärzt­lich zu be­han­deln­de Vi­si­on.. Denn es ist nur ei­ne Fra­ge der Zeit, bis der ers­te die­ser Ge­win­ner sich in sei­nem Gel­tungs­an­spruch ge­kränkt fühlt, der sei­ne Mög­lich­keit zur Skru­pel­lo­sig­keit nutzt, über den Göt­tern et­was Hö­he­res in­stal­liert und sich so­dann auf­macht, im Na­men die­ses Hö­he­ren all je­ne zu ver­nich­ten, die ihm kei­ne Gel­tung ge­wäh­ren wol­len, sich letzt­lich so ver­gel­tend, al­so sich in Gel­tung set­zen wol­lend.

Das Al­les, was hier lin­kisch und sprung­haft mit Wor­ten ge­fasst ist, will schlicht nur an­re­gen, über Gel­tung und Gel­tungs­be­dürf­nis, über Gel­tungs­trieb und Gel­tungs­krän­kung zu sin­nie­ren. Gel­tung ver­schafft uns ein Ge­fühl der Zu­ge­hö­rig­keit zu ei­ner Grup­pe. Fa­schis­to­ide Sys­te­me zeich­nen sich mei­ner Be­ob­ach­tung nach 1. durch ei­ne aus­ge­feil­te Bü­ro­kra­tie und 2. durch Pos­ten und Pöst­chen aus. Gel­tung er­langt hier, wer die meis­ten Vor­schrif­ten kennt und sie in der Er­fül­lung sei­ner Pflicht, sei­ner Gel­tung, die ihm ein Pos­ten ver­schafft, um­setzt und voll­zieht. Ein·e Solche·r ist in ei­nem sol­chen Sys­tem ein ‚Gu­ter‘ und hat die Mög­lich­keit zum Auf­stieg. In ei­nem sol­chen Sys­tem kommt die Wür­de dem Men­schen nicht qua es­se, son­dern nur durch Ver­dienst zu.

Ich hal­te den Gel­tungs­trieb des Men­schen – und der durch Putin ver­an­lass­te und durch nichts zu recht­fer­ti­gen­de Ein­marsch in die Ukrai­ne hat mich das ge­lehrt – für ei­nen nicht zu un­ter­schät­zen­de Kraft, die ei­ne enor­me Macht ent­fal­ten kann und ei­nem ei­ge­nen Ra­tio­nal folgt. Und ich hal­te es für ver­mes­sen, Ra­tio­na­li­tät und Tech­nik zu ei­ner Kir­che zu er­he­ben und als al­lei­nig rich­tig, da not­wen­dig, dar­zu­stel­len. Mir ist das durch­aus nach­voll­zieh­bar; ich selbst, Jahr­gang 1962, ha­be den Auf­stieg der Com­pu­ter­tech­no­lo­gie er­lebt, bin da­mit so­zia­li­siert wor­den, ha­be die ers­ten 20 Jah­re mei­nes Be­rufs­le­bens als Soft­ware­ent­wick­ler ge­ar­bei­tet. Rich­tig gut war ich dar­in nie. Nun, es hat zum Un­ter­halt bei­tra­gen kön­nen.

Doch ich ha­be eben auch die Schat­ten­sei­te die­ser Tech­no­lo­gi­sie­rung mei­ner ‚See­le‘ er­lebt. Ich wur­de mehr und mehr zur Ma­schi­ne, die ich pro­gram­mier­te. Ich be­gann mein Welt­bild auf ei­ner 1/0‑Logik zu bau­en. Die ‚West/Ost‘-Logik des kal­ten Krie­ges pass­te da­zu her­vor­ra­gend. Entweder/Oder hieß die Ma­xi­me, die für Alle/s gel­ten soll­te.

Ein sol­ches Den­ken er­ach­te ich in­zwi­schen als ‚Rech­nen‘ wohl durch­aus im Heideggerschen Sin­ne. Nach ei­ner Pha­se der Ver­teu­fe­lung die­ser Art zu Den­ken ha­be ich ein­ge­se­hen, dass es dar­an nichts zu ver­teu­feln gibt — es liegt im mensch­li­chen Re­per­toire und ist da­mit wohl dem All­zu­mensch­li­chen zu­zu­rech­nen.

Wo­von ich al­ler­dings ab­ge­las­sen ha­be, zu­guns­ten nun eben je­ner ‚See­le‘, ist die Er­he­bung der Mög­lich­keit zum ra­tio­na­len Den­ken, und den da­mit ver­bun­de­nen Mög­lich­kei­ten der Tech­nik, zur Kir­che. Ich ha­be ein­ge­se­hen, dass ich, so wie ich ‚ge­strickt‘ bin, in die­sem Sys­tem nur schwer­lich Fuß fas­sen kann. Ich bin, mei­ne ‚See­le‘ will das wohl so, kein Mensch für Kon­kur­renz. Ich ha­be mich für’s in­di­vi­du­ell Ko­ope­ra­ti­ve ent­schie­den, und kri­tisch kann an­ge­merkt wer­den: not­ge­drun­gen, aus dem Un­ver­mö­gen der An­pas­sung an ein Sys­tem, in dem Gel­tung durch er­folg­rei­chen Kon­kur­renz­kampf er­langt wird, vor­nehm­lich und frei­lich auch stets vor­nehm. Es will sich ja Keine·r die Fin­ger schmut­zig ma­chen.

Und ja, es gab auch je­ne Pha­se, in der ich mich der ra­di­ka­len Ro­man­tik zu­wand­te, der Eso­te­rik, dem Über­sinn­li­chen, Un­er­klär­li­chen. Es gab Mo­men­te in mei­nem stil­len Käm­mer­lein, da wähn­te ich mich aus­er­ko­ren, zu Be­son­de­rem be­ru­fen.

Doch ich er­kann­te auch, und das ist nun der ekla­tan­te Un­ter­schied zu den ein­gangs er­wähn­ten Ideo­lo­gen, und in die­ser Zeit jetzt er­ken­ne ich die­ses Er­ken­nen: Das ist ei­ne Il­lu­si­on, ge­bo­ren aus ei­nem ge­kränk­ten, weil un­er­füll­ten Gel­tungs­be­dürf­nis.

Ich schät­ze das Ara­tio­na­le nach wie vor, hal­te es für den ge­sun­den, in der, für die und zur Welt sei­en­den Men­schen für es­sen­ti­ell, für ein Eli­xier und be­zeich­ne dies nun ger­ne als Ver­nunft (aus ei­ner ara­tio­na­len Ver­nah­me her­ge­lei­tet), die in der La­ge ist, den Ver­stand (aus dem ra­tio­na­len Ver­ste­hen her­ge­lei­tet) zu re­la­ti­vie­ren, ihn ein­zu­he­gen.

Im Ge­gen­satz zu den Heideggern die­ser Welt, zu den Faschist·innen und sol­chen, die es ger­ne wer­den wol­len, als Wolf oder als Schaf, und auch im Ge­gen­satz zu Je­nen, die die Nüch­tern­heit und die Wahr­heit mei­nen ge­pach­tet zu ha­ben ob ih­rer Mög­lich­kei­ten, in Kal­kü­len und Lo­gi­ken zu den­ken und Hand­lun­gen da­mit zu be­grün­den und in ‚rich­tig‘ und ‚falsch‘ ob­jek­tiv ein­ord­nen zu kön­nen, er­he­be ich we­der die Ver­nunft über den Ver­stand noch den Ver­stand über die Ver­nunft. Und es ist mein Ge­müt, dass nun zwi­schen die­sen bei­den zu ver­mit­teln weiß. Wie mein Ver­stand zwi­schen Ge­müt und Ver­nunft, mei­ne Ver­nunft zwi­schen Ver­stand und Ge­müt zu me­di­ie­ren weiß.

Das ist mei­ne Drei­fal­tig­keit, die, es ist un­schwer zu er­ken­nen, letzt­lich ei­ne drei­fa­che Dua­li­tät ist. Und die En­ti­tä­ten die­ser Dua­li­tät sich nun eben nicht bi­po­lar, ma­nich­ä­isch, kon­tra­dik­to­risch ge­gen­ein­an­der zu über­trump­fen su­chen, son­dern die ver­mit­teln­de Kraft stets die ver­ein­ten Kräf­te auf ei­nen vier­ten ge­dach­ten Punkt hin­zu­len­ken weiß. Da ist der Vor­trieb, und Na­vi­ga­tor ist dann das ak­tu­ell ver­mit­teln­de Ele­ment.

Und die­sem Ge­dan­ken, die­ser Hal­tung liegt nun ein Den­ken zu­grun­de, das da­von ab­zu­se­hen weiß, Ir­gend­et­was über ein An­de­res zu stel­len. Es ist ei­ne Hal­tung, die mit jeg­li­cher Hier­ar­chie bricht, oh­ne in An­ar­chie zu fal­len. In die­sem Welt­bild gibt es kei­nen Gott, der über al­lem steht, kei­ne ‚Über­macht‘, die ‚man‘ sich zum Freund ma­chen soll­te, will ‚man‘ be­stehen.

Es ist die Wech­sel­wir­kung, das In­ein­an­der­grei­fen zwei­er Kräf­te, die von ei­ner drit­ten Kraft an­er­kannt wer­den, sel­bi­ge sich da­bei nun eben nicht über je­ne zwei er­he­bend und sie füh­rend, son­dern zwi­schen ih­nen als Me­di­um ver­mit­telnd, sie in Be­zug set­zend. Die Kon­kur­renz kann so auf­ge­löst wer­den, Co-Ope­ra­ti­on, Re­so­nanz, Sym­pho­nie wird mög­lich. Und aus dem Drei­eck wird ein Qua­drat, denn aus der Span­nung, die da durch das ver­mit­teln­de Ele­ment ins Strö­men kommt, ent­steht En­er­gie, die mich als Mensch zieht, als sä­ße ich auf ei­nem Kutsch­bock, die Zü­gel in der Hand hal­tend.

Und mit­ten im Bild das 5. Ele­ment: Das Da­sein. Wel­ches sich an­schickt, das Qua­drat im­mer wie­der auf’s Neue in sich ver­dreht zu ver­viel­fäl­ti­gen, bis die Ecken zu ei­nem Kreis ver­schmel­zen, der sein Krei­sen wie Krei­ßen nie be­en­den wird kön­nen, der das Ide­al der un­end­li­chen Ecken erst dann er­reicht ha­ben wird, wenn er sich auf­ge­löst hat.

Zum Ab­schluss, das Ge­röll liegt hin­ter uns, wir sit­zen mit der Tas­se Tee, die wir als ge­schei­te Wan­de­rer frei­lich stets im Ge­päck ha­ben, auf ei­ner Ru­he­bank und ge­nie­ßen den Aus­blick.

Der Habermas’sche Ge­dan­ke vom zwang­los zwin­gend bes­se­ren Ar­gu­ment greift letzt­lich wohl nur un­ter Akteur·innen, die sich dem sel­ben Ra­tio­nal un­ter­stel­len. Ein Putin wie auch Querdenker·innen sind nicht ir­ra­tio­nal im Sin­ne ei­ner Ver­rückt­heit, ei­nes Wahn­sinns. Sie un­ter­ste­hen ei­nem an­de­ren Ra­tio­nal. Dem Ra­tio­nal der ‚See­le‘, so könn­te es be­nannt wer­den. Und die­se ‚See­lig­keit‘, die Fä­hig­keit da­zu, die­se scheint mir den ra­tio­na­len In­tel­lek­tu­el­len ab­han­den ge­kom­men zu sein, sie ha­ben den Be­zug da­zu ver­lo­ren. So ist es ih­nen nicht mehr mög­lich, die ara­tio­na­le Po­si­ti­on nach­zu­voll­zie­hen. Ihr vor­nehm­li­ches Werk­zeug, die Ra­tio­na­li­tät, ge­reicht da nicht her­an. Fol­ge: Ver­ur­tei­lung.

Ei­ne Tu­gend ist dann ge­fragt, die von Al­ters her in min­des­tens ei­ner Kul­tur red­lich ge­pflegt wur­de: das Mit­ge­fühl. Und dies nun eben nicht als je­nes ro­man­tisch ver­klär­te ar­ro­gan­te Mit­leid, ger­ne in der Form der Her­ab­las­sung sich äu­ßernd. Es ist die kla­re, un­vor­ein­ge­nom­me­ne Sicht auf die Mo­tiv­la­ge des Frem­den und des­sen An­er­ken­nung. Nicht das ra­tio­nal bes­se­re Ar­gu­ment zwingt. Es ist ein Ge­fühl, das zu­ge­las­sen wird, dass die Grün­de für das Agie­ren des An­de­ren viel­leicht auch in ei­ge­nen Selbst ge­fun­den wer­den kön­nen. Und das auch ver­mit­telt, wenn es ei­nem nicht ge­fällt.

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1 In: Ho­he Luft Ma­ga­zin, https://www.hoheluft-magazin.de/2022/03/spirituelle-apokalypse|3.3.22 – 9:00
2 An­ge­sichts ato­ma­rer Waf­fen scheint die­se An­nah­me al­ler­dings wie ei­ne ärzt­lich zu be­han­deln­de Vi­si­on.
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