Eine kurze Meditation zur akademischen Philosophie, Wissen und Ethik, Weisheit und Moral. Mit einem Seitenblick auf aktuelle Verhaltensweisen.
Philosophie kann vielleicht auch als Beschäftigung mit Weltanschauung und Moral und dem kritischen Verhältnis zu diesen aufgefasst werden. Ob das dann auch Philosophie ist, die ja zumindest in der universitären Akademie sich der Wissenschaft und Ethik verpflichtet fühlt, nach der Verallgemeinerbarkeit von allem sucht (‚Weltformel‘) und nicht nach einem nachvollziehbaren Sinn, ist aus akademischer Sicht gewiss fraglich. Und so zeigt sich doch ein womöglich wesentlicher Unterschied zwischen Wissen und Weisheit.
Sie, die sich abgehängt fühlen in dieser leistungsorientierten und auch immer komplexer – vielleicht sogar dazu noch komplizierter – werdenden Gesellschaft, grenzen sich durch ihr Verhalten und ihre Einstellungen selbst aus und beschweren sich dann über Ausgrenzung.
Sie empfanden sich als tyrannisiert und tyrannisieren jetzt zurück, indem sie sich z.B. einer Corona-Impfung verweigern. Sie demonstrieren so Macht und verhalten sich so zu ihrer Ohnmacht, diese kompensieren wollend.
Hier zeigt sich die nietzscheanische Sklavenmoral, die von Ressentiment und Rache getrieben ist. Auch und gerade, wenn die Sklaven der Unmündigkeit meinen, eine Herrenmoral an den Tag zu legen.
Denkzettel 212
Gehorcht die Moral Gesetzen? War Kant wirklich durch ein moralisches Gesetz in sich mit zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht im Gemüt erfüllt? Oder ist Moral, anders als die Ethik, nichts, das verallgemeinert werden kann, sondern vielmehr aus einer Situation mit vielen das Urteil und eine Handlungsentscheidung beeinflussenden Faktoren ad hoc im Subjekt entsteht? So gesehen ist moralisches Handeln nicht lehrbar, nur übbar. Und Moralität so gesehen kein Gesetz in uns, sondern vielleicht ein Trieb, den wir spüren — über den wir uns allerdings hinwegsetzen können wie über einen Gedanken. Und Moral ist dann: Ästhetik — und keine Ethik. Auch wenn die Ethik für sich beansprucht, die Verallgemeinerung der Moralen erkennen zu können: Sie kann es nicht. Denn: Schönheit kennt keine objektiven Regeln und liegt im Sinne der je Betrachtenden. (Was nicht ausschließt, dass es etwas gibt, dass alle Betrachtenden als schön empfinden. Doch es ist mehr als fraglich, ob sich eine Regel für dieses Empfinden finden lässt, eine: Formel.)
Das gute Handeln ist nicht mit der Logik der Erkenntnis verwirklichbar, ein richtiges, also gesetzten Regeln befolgendes, schon. Es geht beim moralischen Tun um subjektiven Sinn, nicht um objektive Erkenntnis. Freilich träumen die Ethiker_n davon, die Weltformel des Guten – und damit die logische Definition des Bösen – zu finden. Doch es bleibt wohl dabei, dass dies Definitionssache ist. Es gibt keine natürliche Ethik, wie es eine natürliche Physik gibt: Verschwindet der allerletzte Mensch, das allerletzte sich eines moralischen Potentials bewusste Wesen, aus diesem Universum, diesem bestirnten Himmel, gibt es keine Ethik mehr. Physik indes gleichwohl, zumindest ist vernünftigerweise davon auszugehen — Wissen kann dies indes niemand, man begnügt sich also mit einer Gewissheit — wer wollte es wem wie beweisen wollen, ist das letzte Wesen vergangen?
Gesetze, Regelmäßigkeiten der materiellen Welt sind nun mal, bzw. sollten nun mal nicht die Grundlage der immateriellen Welt sein. Sondern freie Entscheidungen. Und unterlägen diese Regeln, so sind sie nicht mehr frei. Wer von einer logistischen Ethik träumt, albträumt vom gänzlich determinierten Menschen, der damit letztlich durch und durch kontrollierbar ist. Überlassen wir doch diese Unfreiheit, diese Sklavität, den Maschinen, die wir bauen. Sie unterliegen unserer Regulationswut. Die Natur nicht. Auch wenn wir davon träumen und dieser Traum vielleicht sogar eines Tages wahr wird. Die Frage ist dann wohl: Kann eine solche vom Menschen durchgeregelte Natur dem Menschen noch ein adäquates Habitat sein?
Ethik, so kann gesagt werden, ist eine Sache des Verstandes — Moral indes eine Angelegenheit der Vernunft. Ihr liegt am guten Leben, dem Verstand am richtigen.
Kein Mensch handelt auf Basis eines schlechten Grundes. Das haben wir mit den Tieren gemein.
(Kein Mensch baut ein Haus wissentlich auf schlechtem Grund, außer, damit ist etwas beabsichtigt — von dem bewusst oder unbewusst erwartet wird, dass es einem gut tut. Wir sind Gutmenschen. Alle.)Denkzettel 213