Sitten und Gebräuche, die in ihrer Form erstarren und nicht mehr unterschiedliche, in vielfältigen Hinsichten moderne, Gestaltungen aus ihrer Form gewinnen und in diesem Sinne moderat in Erscheinung treten können, sind keine bewahrenden Traditionen mehr, sondern reaktionäre Ideologien.
(Zur Erläuterung: a² + b² = c² ist eine Form, das rechtwinkelige Dreieck mit a = 2cm, b = 5cm eine Gestalt dieser Form. Die Dreiecksgestalten auf (einzig) „wahre“ Dreiecke (oder gar auf nur ein „einzig wahres“ Dreieck) reduzieren zu wollen ist reaktionäre Ideologie.)
Kategorie: Weltanschauung
Denkzettel 379
Es geht nicht darum, ob z.B. der Universalismus wahr ist oder falsch. Es geht darum, welche vorstellbaren Wirklichkeit(en) Ideen über die Welt erzeugen und ob sie wünschenswert sind — worüber sich die Menschen nun eben nicht einig sind und Argumente tauschen wie auf einem Börsenplatz. Entsprechend hoch oder niedrig ist der Kurs eines Weltverständnisses.
(Und wie mehrere Aktien an einem Börsenplatz (und es gibt nicht nur einen) gehandelt werden, gibt es auch mehrere Weltverständnisse an mehreren Orten mit je unterschiedlichen aktuellen Kursen.)
Denkzettel 363
Was das Skelett der Wahrheit zusammenhält und beweglich macht, ist die Wirklichkeit des Fleisches. Reine Logik, bloße Wahrheit, kommt einem Knochenhaufen gleich wie wahrheitslose Wirklichkeit einem nassen Sack in der Ecke ähnelt. Erst das Beisammensein beider lässt eine bewegliche Gestalt erscheinen.
Denkzettel 357
Die Zweiheit ist die einfachste Gestalt der Form Vielheit.
Denkzettel 356
Auch für Siddharta Gautama ging es wie Karl Marx und vielen, vielen Anderen darum, die vorgefundene Welt zu verändern. Gleichwohl: Welt verändert sich andauernd. Wozu etwas verändern wollen, was sich ja schon eo ipso verändert?
(Freilich steckt dahinter eine Machtfrage.)
Denkzettel 351
Einem Begriff schreiben so Manche Objektivität zu. Eine Auffassung kann nicht anders, als ihre Subjektivität veräußern.
Gerne als Objektivität.
Denkzettel 350
Nobel geht die Welt zugrunde/zu Grunde.
Das will hier meinen: Es gibt dem Menschen Nobilität, dass dieser seiner Welt auf den natürlichen Grund gehen (insofern es nur einen solchen gibt) und zugleich sich über deren kultürlichen Gründe zergehen kann. Vielleicht gäbe es weniger Zank, wenn es viele naturelle Gründe, indes nur einen kulturellen Grund gäbe.
Denkzettel 345
Es gibt eine Wahrheit der Wahrheiten und eine Wirklichkeit der Wirklichkeiten. ‚Die‘ Wahrheit und ‚die‘ Wirklichkeit sind indes Konstrukte und im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs nur dann gültig, wenn das n der Wahrheiten, Wirklichkeiten, gleich je eins ist.
Denkzettel 331
Das Wahre, Gute, Schöne wie auch das Böse und anderes mehr existieren lediglich als Konzepte in unseren Köpfen; es sind keine ontologischen Entitäten wie Bäume, Steine, Blumenkübel. Und so gibt es nichts Wahres, Gutes, Schönes, Böses etc. Was wir hingegen empirisch beobachten können ist Wahrartigkeit, Gutartigkeit, Schönartigkeit, Bösartigkeit. etc. (oder auch solcherlei ‑haftigkeiten).
Wie nun ein Verhalten oder Handeln kategorisiert wird, hängt dann eben vom Konzept ab — und absolute, universelle Konzepte gibt es nicht. Denn dann wären es ontologische Entitäten. Wie Gartenstühle.
(Die Konzepte könnte man als Qualitäten bezeichnen.)
Denkzettel 323
Der Narr ist der aufgeklärte Romantiker.
Gegendert: Das Narrativ ist die Aufklärung des Romantischen.