Geistig und körperlich ist der Mensch während des größten Teils seines Lebens Bewohner eines rein menschlichen und in gewisser Weise ‚hausgemachten‘ Universums, das von ihm selbst in den riesigen, nichtmenschlichen Kosmos um ihn herum gegraben wurde und ohne das weder dieses Universum noch er selbst existieren könnten. Innerhalb dieser privaten Katakombe errichten wir für uns selbst eine eigene kleine Welt.
Kategorie: Weltanschauung
Denkzettel 421
Das Sein, wie es als jeselbige Welt Wirklichkeit wird.
Denkzettel 419
Die Welt: Produkt aller Wirklichkeiten.
Denkzettel 415
Selbst wenn es die Welt, also die Welt aller Welten, gäbe, könnten wir sie nicht erkennen: Es gibt kein Subjekt aller Subjekte.
(Was freilich nicht heißt, ein solches Subjekt könnte nicht konstruiert werden. Wurde es auch; und mit/als „Gott“ benannt.)
Denkzettel 413
Das Sein, die leere Form, wie es als jeselbige Welt Wirklichkeit wird, Gestalt annimmt.
Denkzettel 393
Sitten und Gebräuche, die in ihrer Form erstarren und nicht mehr unterschiedliche, in vielfältigen Hinsichten moderne, Gestaltungen aus ihrer Form gewinnen und in diesem Sinne moderat in Erscheinung treten können, sind keine bewahrenden Traditionen mehr, sondern reaktionäre Ideologien.
(Zur Erläuterung: a² + b² = c² ist eine Form, das rechtwinkelige Dreieck mit a = 2cm, b = 5cm eine Gestalt dieser Form. Die Dreiecksgestalten auf (einzig) „wahre“ Dreiecke (oder gar auf nur ein „einzig wahres“ Dreieck) reduzieren zu wollen ist reaktionäre Ideologie.)
Denkzettel 379
Es geht nicht darum, ob z.B. der Universalismus wahr ist oder falsch. Es geht darum, welche vorstellbaren Wirklichkeit(en) Ideen über die Welt erzeugen und ob sie wünschenswert sind — worüber sich die Menschen nun eben nicht einig sind und Argumente tauschen wie auf einem Börsenplatz. Entsprechend hoch oder niedrig ist der Kurs eines Weltverständnisses.
(Und wie mehrere Aktien an einem Börsenplatz (und es gibt nicht nur einen) gehandelt werden, gibt es auch mehrere Weltverständnisse an mehreren Orten mit je unterschiedlichen aktuellen Kursen.)
Denkzettel 363
Was das Skelett der Wahrheit zusammenhält und beweglich macht, ist die Wirklichkeit des Fleisches. Reine Logik, bloße Wahrheit, kommt einem Knochenhaufen gleich wie wahrheitslose Wirklichkeit einem nassen Sack in der Ecke ähnelt. Erst das Beisammensein beider lässt eine bewegliche Gestalt erscheinen.
Denkzettel 357
Die Zweiheit ist die einfachste Gestalt der Form Vielheit.
Denkzettel 356
Auch für Siddharta Gautama ging es wie Karl Marx und vielen, vielen Anderen darum, die vorgefundene Welt zu verändern. Gleichwohl: Welt verändert sich andauernd. Wozu etwas verändern wollen, was sich ja schon eo ipso verändert?
(Freilich steckt dahinter eine Machtfrage.)