Wissenschaftliches Plagiat: Man kann sich zwar mit fremden Federn schmücken, aber man kann nicht mit ihnen fliegen.
Schlagwort: Moral
Denkzettel 455
„Würde“ als inhaltsleerer Begriff, der die unbedingte Aufforderung artikuliert und zum Begreifen auffordert, sich achtungs- und respektvoll gegenüber dem/der/dem Würdetragende/n zu verhalten? Art. I GG könnte dann so in seiner praktischen, also handlungsorientierten, Form lauten: „Alle anderen Menschen und Dingen ist stets mit Achtung und Respekt zu begegnen.“
Dies vermag die Würde tatsächlich unantastbar zu machen. Man lässt sie einfach gelten und hinterfragt sie nicht. Man lässt ihr die Freiheit, zu sein, sich zu zeigen.
(Der Haken: Wie wird achtungsvoll und respektvoll gehandelt? Dies wird sich nicht universalisieren lassen, was einem unerwünschten Relativismus ein Feld bereiten könnte. Doch hier ist nun eben die Verantwortung des Individuums gefordert: Was wir für uns selbst einfordern, ist anderen zuzubilligen. Es ist die anspruchsvollere Moral. Bedingungslose Empathie und bedingte Solidarität sind die Grundbausteine dieser Moral. Das verschafft ihr Universalität, ohne Formalität. Sie bleibt Moral und ist nicht Ethik.)
Denkzettel 435
Neutestamentarischer Persilschein: Die nicht wissen (wollen), was sie tun, können machen, was sie wollen.
(Herrenmoral, falsch verstanden.)
Denkzettel 303
Das Denken in eine formalisierte Rationalität zu gießen kann ja wohl nicht die einzige Form rationalen, was also umgangssprachlich mit „vernünftig“ codiert ist, Denkens sein. Neben solchem Rechnen müsste es doch noch eine informelle, unformalisierte, wenn man möchte: ‚wilde‘, oder ‚freie‘, Rationalität geben.
Vielleicht ist diese mit „moralische Rationalität“ gut beschrieben. (Die dann indes eben keine berechnete Ethik ist.)
Denkzettel 285
Wenn der Verstand die Vernunft versprachlicht heißt das eben nicht, dass die Logik in der Sprache läge. Das rechte Handeln liegt auch nicht in der rationalen Ethik, sondern in der ästhetischen Moral. Ethik ist eine Sprache der Moral — nicht indes ihre Logik. Die liegt tiefer, in der Moral — vielleicht noch tiefer, weitere Bereiche mit versorgend.
Zitat 60
Wer Macht ausüben will, muss sein Gegenüber aus einer organisch-moralischen Größe in ein physikalisches Objekt der Wahrnehmung verwandeln.
Denkzettel 250
Moral verhält sich zu Ethik wie Schönheit zur Ästhetik: Ersteres ist empirisch, letzteres epistemisch. Letzlich ist Letzeres der Versuch, Ersteres in eine Berechenbarkeit zu bringen, wenn nicht gar zu zwingen; also der Versuch, mit dem Verstand zu verstehen, zu vermessen, was mit der Vernunft vernommen wird.
Doch die Vernunft lässt sich letztlich wohl nicht vermessen wie der Verstand; der Versuch ist vermessen.
(Es wird wohl immer ein quantitativ unbestimmbarer Rest des Moralischen und Schönen bleiben, der sich dem Verstand entzieht und deshalb nicht unvernünftig ist.)
Denkzettel 249
Wenn, wie Ludwig Wittgenstein es gesehen hat, die Epistemen Ethik und Ästhetik eins sind, dann auch ihre empirischen Gründe, das Moralische und das Schöne.
Zitat 50
Moral ist nicht gleich Moral, aber Moralismus ist gleich Moralismus.
Die Moral der Ethik
Sollte der „Deutsche Ethikrat“ nicht eher ein „Ethischer Rat“ sein?
Nach der Online-Tagung des deutschen Ethikrates mit dem Titel »Selbstvermessen: Ethik und Ästhetik veränderter Körperlichkeit.«1⇣Im Internet sollten die Beiträge zu finden sein. gab es für jene, die die Veranstaltung verfolgten, zum Abschluss noch einen Fragebogen, dessen letzte Frage lautete, welcher Themen sich der Ethikrat noch annehmen sollte. Ob diese Ansicht hier noch ihren Adressaten erreicht hat, ist fraglich. Ein technisches Problem ließ nicht zweifelsfrei erkennen, ob das Statement übermittelt wurde. Ein guter Grund, es hier, etwas erweitert, nochmals kundzutun.
Im Zuge der aktuellen Pandemie hat der Autor dieser Ansicht den deutschen Ethikrat überhaupt erstmal als gesellschaftliches Moment wahrgenommen, allerdings jedoch in einer Weise, die ihm das Wort und die Bedeutung „Kirche“ abzuringen hat. Die Äußerungen „der Politischen“ dabei im Ohr, die ihre Entscheidungen mit den Empfehlungen jenes Ethikrates absicherten. Daran ist zunächst gar nichts auszusetzen, Expertisen von fachkundiger Seite einzuholen. Doch werden diese dann in einer Weise gebraucht, aus der schon die Verantwortungslast erkennbar wird, sollte sich die Entscheidung als falsch erweisen, dann ist freilich Obacht angesagt. Die Wissenschaft – und zwar als solche, undifferenziert nach Fächern – wird auch mehr und mehr die Rolle einer obersten Kompetenz und damit dann auch Verantwortung zugeschustert, könnte man meinen2⇣Im Angesicht des derzeitigen Verhaltens der Politik (Inzidenz über 300: die Wissenschaft redet sich den Mund fusselig und die Politik re(a)giert … Weiterlesen…. Die Frage ist nur, ob das so gut ist. Und freilich sei hier angemerkt: Zu diesem Spiel gehören mindestens zwei. Und ein Ethikrat, der sich der Verlockung ausgesetzt sieht, Macht zu zeitigen, Einfluss auszuüben, übernimmt dann wohl auch gern Verantwortung. Und nein: der Autor hält Philosoph_innen und/oder Ethiker_innen nicht für die besseren König_innen. Platon hin oder her.
So gelangt der Verfasser hier zu der Ansicht, der Rat sollte sich in Selbstbegrenzung üben und nicht als Ratgeber in Erscheinung treten („Vermessenheit!“), sondern als Institution, mit der sich beraten werden kann, als Kompetenzzentrum in Fragen der Moral in vielfacher Hinsicht, nicht als Excellenzcluster in der Technisierung („Vermessung“) des Ethischen. Ja, freilich, auch ein Ethikrat steht im Thema der Tagung und sucht sich selbst zu optimieren. Doch der Eindruck kann geweckt werden, dass diese Optimierung den Charakter der Verbesserung einer Maschine hat, nicht die einer adäquateren Stimmigkeit mit einem Weltganzen. Und ja, der Gedanke sieht das Wort Ethik in einem Sinn mit Mathematik. Das Postfix „-ik“ als Markierung interpretiert, dass das Fach sich durch irgendeine technische Methode charakterisiert3⇣Hier so also die des Rechnens.. Nicht ganz astrein, doch für das Anliegen hier bedenkenswert. Und ein Rat in dem Sinne, wie er sich hier zeigen möchte, gibt keine Ratschläge, auch wenn sie Empfehlungen genannt werden4⇣Das soll die Aufgabe von Kommissionen sein..
Ein Rat, wie er hier sich als Ideal zeigen möchte, sollte einen Rahmen schaffen, in der für jemanden, der_die Verantwortung zu tragen bereit ist, ein Feld, ein Raum, eine Sphäre geschaffen wird, zu seiner_ihrer Entscheidung, die er_sie zu vertreten gewillt ist, zu kommen — und zwar nun eben, deshalb das Umfeld eines Rates, nicht nur auf der eigenen Sicht in die Welt und ihr Geschehen fundiert. Ein Ethikrat, der sich bei seinen Empfehlungen dann auf Wissenschaft beruft, macht letztlich auch nichts anderes als die Kulturtechnik des „Der/Die/Das hat gesagt, dass…, und der/die/das muss es wissen!“ anzuwenden. Ein so agierender Rat macht sich zum politischen Agenten, d. h., er verfolgt einen Zweck — dabei hätte er nur Mittel zu sein. Schicksal eines Rates.
So sollte sich der „Deutsche Ethikrat“ zu einem „Ethischen Rat“ wandeln und verstärkt dazu beitragen, dass Politiker_innen wie jene, die die Entscheidungen der Politiker_innen betreffen (das „-ik“ sei hier beachtet!), zu mehr Eigenverantwortung motiviert werden, statt nun eben in einem Ethikrat ein Instrument zur Verantwortungsverwässerung und –verschiebung zu sehen und weidlich zu nutzen. Der daselbst sich dann die Wissenschaft als Ratgeberin sucht. Wissenschaft allerdings, die mehr und mehr unter einem Mantra des Quantitativen, des Messbaren, des Resultates, steht. Wissenschaft, die wie Technik anmutet.
Wird ein Rat nämlich in solcher Weise missbraucht, also als vorauseilende Entschuldigung für den Fall einer Fehlentscheidung, kann es allzu leicht passieren, dass Verantwortung auf dem Spieltisch hin- und hergeschoben wird — bis irgendwann bei jenen, die Orientierung suchen, angefangen wird, nach den „starken Kräften“ Ausschau zu halten. Einstellungen, wie sie im sehr rechten politischen Spektrum anzutreffen sind, die alltäglich werden, mögen da als Indiz herhalten und ein Anzeichen für einen bereits laufenden Prozess sein.
Und freilich sollte ein solcher Ethischer Rat sich im Zuge (s)einer Selbstreflexion damit befassen, wie der Mut zur Eigenverantwortung (und das meint einen wirklich liberalen, dessen Ziel nur das Soziale sein kann, und keinen neoliberalen Sinn, der eine Asozialität im Sinne einer Elitenbildung, die ohne Mob ja keine Elite sein kann, zeitigt) bereits vom Kindergarten und dann lebenslang gestärkt werden kann — ohne dieses Feld den n. A. d. A. letztlich archaischen Motiven der Kirchen, gleich ob buddhistisch, christlich, hinduistisch, islamisch,… zu überlassen. Religionsunterricht (lat. relegere/religare als grundlegender Ansatz, nicht: Glaube) ist ein guter Ansatz dafür: Nur indes, wenn es die Religiösität des Menschen anspricht, die als solche und an sich keiner Kirche bedarf. Kirchen nutzen das religiöse Bedürfnis des Menschen, seinen Hunger nach Sinn und Gewährleistung, für ihre Zwecke und Ziele. Sie sorgen nicht für die Fähigkeit zur Eigenreligiösität, sondern versuchen sich darin, diese zu eliminieren. Sinn und Weltverständnis – pathetisch: Weltgeborgenheit; nüchterner: Weltanschauung – werden zu einem Produkt, dass um den Preis einer Konfession gekauft werden kann — und nicht zu einem Gewinn, der selbst erschaffen, und nicht erwirtschaftet, ‚verdient‘, wurde. Kreatives (Er-)Gebnis einer Kunst, nicht ausgerechnetes Resultat einer Technik.
Diese selbst ausgeübte Sinnkompetenz hätte wohl den freien und deshalb sozialen, mithin: ethischen Menschen zur Folge.
⇡1 | Im Internet sollten die Beiträge zu finden sein. |
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⇡2 | Im Angesicht des derzeitigen Verhaltens der Politik (Inzidenz über 300: die Wissenschaft redet sich den Mund fusselig und die Politik re(a)giert nicht…) ist das hier indes um ein „Wenn’s g’rad’ in den Kram passt“ zu erweitern. |
⇡3 | Hier so also die des Rechnens. |
⇡4 | Das soll die Aufgabe von Kommissionen sein. |