Denkzettel 455

„Wür­de“ als in­halts­lee­rer Be­griff, der die un­be­ding­te Auf­for­de­rung ar­ti­ku­liert und zum Be­grei­fen auf­for­dert, sich ach­tungs- und re­spekt­voll ge­gen­über dem/der/dem Würdetragende/n zu ver­hal­ten? Art. I GG könn­te dann so in sei­ner prak­ti­schen, al­so hand­lungs­ori­en­tier­ten, Form lau­ten: „Al­le an­de­ren Men­schen und Din­gen ist stets mit Ach­tung und Re­spekt zu be­geg­nen.“
Dies ver­mag die Wür­de tat­säch­lich un­an­tast­bar zu ma­chen. Man lässt sie ein­fach gel­ten und hin­ter­fragt sie nicht. Man lässt ihr die Frei­heit, zu sein, sich zu zei­gen.
(Der Ha­ken: Wie wird ach­tungs­voll und re­spekt­voll ge­han­delt? Dies wird sich nicht uni­ver­sa­li­sie­ren las­sen, was ei­nem un­er­wünsch­ten Re­la­ti­vis­mus ein Feld be­rei­ten könn­te. Doch hier ist nun eben die Ver­ant­wor­tung des In­di­vi­du­ums ge­for­dert: Was wir für uns selbst ein­for­dern, ist an­de­ren zu­zu­bil­li­gen. Es ist die an­spruchs­vol­le­re Mo­ral. Be­din­gungs­lo­se Em­pa­thie und be­ding­te So­li­da­ri­tät sind die Grund­bau­stei­ne die­ser Mo­ral. Das ver­schafft ihr Uni­ver­sa­li­tät, oh­ne For­ma­li­tät. Sie bleibt Mo­ral und ist nicht Ethik.)

Denkzettel 452

Wenn die Wür­de (des Men­schen) un­an­tast­bar ist, ist sie be­din­gungs­los — zu ge­wäh­ren? Wie zeigt sie sich? Wie fühlt sie sich an? Wie fühlt sie sich für ei­nen 99-jäh­ri­gen an, wie für ei­ne 0,00099-jährige?

Ist sie zu ge­wäh­ren, wird al­so ver­ge­ben, oder doch zu ach­ten, kommt ei­nem Le­be­we­sen qua Na­tur zu wie sei­ne kör­per­li­che Er­schei­nung?

Denkzettel 94

Ju­ris­tisch (Art. 1 GG BRD) Mo­ra­lisch
»(1) Die Wür­de des Men­schen ist un­an­tast­bar. Sie zu ach­ten und zu schüt­zen ist Ver­pflich­tung al­ler staat­li­chen Ge­walt.« „Die Wür­de des Men­schen ist an­tast­bar. Sie zu ach­ten und zu schüt­zen ist Ver­pflich­tung al­ler staat­li­chen Ge­walt.“
Wes­halb soll­te et­was ge­schützt wer­den müs­sen, das un­an­tast­bar ist? Ist es durch die Un­an­tast­bar­keit selbst nicht schon ge­schützt? Denn un­ver­letz­bar ist sie kei­nes­wegs.

Nie.
»(2) Das Deut­sche Volk be­kennt sich dar­um zu un­ver­letz­li­chen und un­ver­äu­ßer­li­chen Men­schen­rech­ten als Grund­la­ge je­der mensch­li­chen Ge­mein­schaft, des Frie­dens und der Ge­rech­tig­keit in der Welt.« „Die Bür­ger als Bür­gen des Staa­tes be­ken­nen sich da­mit zur Ver­letz­lich­keit und Ver­äu­ßer­bar­keit von Men­schen­rech­ten als Grund­la­ge je­der mensch­li­chen Ge­mein­schaft, des Frie­dens und der Ge­rech­tig­keit in der Welt.“
»(3) Die nach­fol­gen­den Grund­rech­te bin­den Ge­setz­ge­bung, voll­zie­hen­de Ge­walt und Recht­spre­chung als un­mit­tel­bar gel­ten­des Recht.«

Denkzettel 82

Dem Ge­dach­ten ist es egal, ob es in Lum­pen oder feins­ter Gar­de­ro­be ge­klei­det in Er­schei­nung tritt, al­so als Ge­dan­ke in ein­fa­che oder schwie­ri­ge Wor­te ge­fasst wird.
Die Kunst rech­ten Spre­chens ist es wohl, auch in Lum­pen vor eine/n König/in tre­ten zu kön­nen, al­so sei­ner Wür­de auch dann nicht ver­lus­tig zu wer­den.
(Und: Auch mit Lum­pen kann man blen­den.)