Zitat 74

Die Knos­pe ver­schwin­det in dem Her­vor­bre­chen der Blü­te, und man könn­te sa­gen, daß je­ne von die­ser wi­der­legt wird; eben­so wird durch die Frucht die Blü­te für ein fal­sches Da­sein der Pflan­ze er­klärt, und als ih­re Wahr­heit tritt je­ne an die Stel­le von die­ser. Die­se For­men un­ter­schei­den sich nicht nur, son­dern ver­drän­gen sich auch als un­ver­träg­lich mit­ein­an­der. Aber ih­re flüs­si­ge Na­tur macht sie zu­gleich zu Mo­men­ten der or­ga­ni­schen Ein­heit, wor­in sie sich nicht nur nicht wi­der­strei­ten, son­dern eins so not­wen­dig als das an­de­re ist, und die­se glei­che Not­wen­dig­keit macht erst das Le­ben des Gan­zen aus.

Ge­org Wil­helm Fried­rich He­gel

Denkzettel 303

Das Den­ken in ei­ne for­ma­li­sier­te Ra­tio­na­li­tät zu gie­ßen kann ja wohl nicht die ein­zi­ge Form ra­tio­na­len, was al­so um­gangs­sprach­lich mit „ver­nünf­tig“ co­diert ist, Den­kens sein. Ne­ben sol­chem Rech­nen müss­te es doch noch ei­ne in­for­mel­le, un­for­ma­li­sier­te, wenn man möch­te: ‚wil­de‘, oder ‚freie‘, Ra­tio­na­li­tät ge­ben.

Viel­leicht ist die­se mit „mo­ra­li­sche Ra­tio­na­li­tät“ gut be­schrie­ben. (Die dann in­des eben kei­ne be­rech­ne­te Ethik ist.)

Denkzettel 258

Kon­fu­zi­us war es wohl, der an­merk­te, der Mensch ver­steht die Din­ge ei­gent­lich erst dann, wenn er sie tut. Das könn­te er­gänzt wer­den mit dem Ge­dan­ken, je län­ger das Ver­stan­de­ne prak­ti­ziert wird, des­to mehr wird es ver­nom­men und da­bei auf das We­sent­li­che re­du­ziert: Welt­ver­stand wan­delt sich zum ver­nünf­ti­gen Sein in und zur Welt, zur Welt­ge­stal­tung.

(Zu­min­dest wenn der Wil­le da­zu wach ist.)