Gott sei tot, sagt Nietzsche, und wir haben ihn umgebracht. Und statt der Annahme von etwas Übermenschlichen wird nun etwas Allzumenschliches an dessen Stelle gesetzt: die Wissenschaftlichkeit, vulgo: Vernunft. Doch wenn diese angebetet wird wie ein Gott, bringen wir auch nur Übermenschen ins Spiel. Ob das ein guter Tausch ist?
(Mancherorts und derzeitig (Januar 2025) wird auch ein sog. „common sense“, ein ‚gesunder Menschenverstand‘, so angebetet.)
Schlagwort: Vernunft
Denkzettel 479
Liberalität kann, zweidimensional gedacht, von links durch die Vernunft und von rechts durch den Verstand eingehegt werden. Im Zwischenreich (metaxy) waltet mutig das Gemüt, von der Vernunft beraten und vom Verstand zum Tun motiviert.
Denkzettel 440
Mit einer sog. KI können wir den menschlichen Verstand eben nur genau so, wie wir ihn verstehen, nachbilden.
Nicht hingegen können wir die Möglichkeiten menschlicher Vernunft oder gar zwischenmenschlichen Gemüts im Gerät simulieren.
(Wo gemeint wird, dies zu können, ist eben nur Verstand im Spiel.)
Denkzettel 412
„Bildung des Geistes ohne Bildung des Herzens ist keine Bildung“ soll Aristoteles bekundet haben.
So kann gesagt wohl werden: Verstandesbildung ohne Herzensbildung – wie auch umgekehrt – ist Unbildung.
(Gebildeter Verstand und(!) gebildetes Gemüt ergeben Vernunft.)
Denkzettel 402
Außerakademische Vernunft.
Denkzettel 381
Es gibt keine natürlichen Gegensätze. „Gegensatz“ ist eine Kategorie des Verstandes.
Gleichwohl: Menschlicher Verstand, wie „Verstand“ überhaupt, ist ein Naturphänomen.
So gesehen ist auch „Anders“ nichts weiter als eine Verstandeskategorie, da „Gegensatz“ ein Fall von „Anders“ unter anderen.
Mithin: Natur ohne Verstand = ein undifferenziertes Ganzes?
(Und dieses mittels Vernunft vernehmbar?)
Denkzettel 364
Das mutend empfindende Gemüt, der rechnend verstehende Verstand, die vernehmend wägende Vernunft. Empfinden, rechnen, wägen: Säkular-laizistische Dreifaltigkeit. Das Kind, der Vater, die Mutter. In einer funktionalen Familie ist das Kind die Sicherung der Dynastie, des Fortbestands. Denn es wird einmal Mutter oder Vater.
Vielleicht.
Denkzettel 267
Rationalität als Grundlage jeglicher Mitteilbarkeit denken: Ratio, das Verhältnis Zweier.
Dies Verhältnis sodann unabhängig von der Beziehung denken, die ästhetischer Natur sein sollte.
Relationalität, ‚Ästhetität‘ der Beziehung, Rationalität des Verhältnisses: Erkenntnisse sind rational, Urteile sind ästhetischer Natur (sinnliches Unterscheidungsvermögen).
(Der Verstand berechnet Verhältnisse, Rationalitäten, die Vernunft beurteilt die Ergebnisse relativ: relational. Der Verstand formalisiert ohne Inhalt, die Vernunft bringt den Inhalt ins Spiel.)
Denkzettel 258
Konfuzius war es wohl, der anmerkte, der Mensch versteht die Dinge eigentlich erst dann, wenn er sie tut. Das könnte ergänzt werden mit dem Gedanken, je länger das Verstandene praktiziert wird, desto mehr wird es vernommen und dabei auf das Wesentliche reduziert: Weltverstand wandelt sich zum vernünftigen Sein in und zur Welt, zur Weltgestaltung.
(Zumindest wenn der Wille dazu wach ist.)
Denkzettel 252
(Am Wollen vorbei zum Willen.) Dass Wollen sollte vom Willen getragen werden, und nicht vom (am) Hirn mit seiner Gier nach Energie (ab)hängen. Es lebt davon und dadurch und kann davon – prinzipiell – nicht genug haben, das ist eine Überlebensstrategie. Gleichwohl ist ein Kind des Hirns, der Geist, als wohlverstandenes Metaversum des Hirns, als Vernunft, in der Lage, den Energiebedarf zum Wohl des Menschen zu regulieren. (Zucker gilt als ein Energielieferant, und manche wollen einen Berg davon … verkaufen.)