Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern. Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens.
Schlagwort: Verstand
Denkzettel 479
Liberalität kann, zweidimensional gedacht, von links durch die Vernunft und von rechts durch den Verstand eingehegt werden. Im Zwischenreich (metaxy) waltet mutig das Gemüt, von der Vernunft beraten und vom Verstand zum Tun motiviert.
Denkzettel 440
Mit einer sog. KI können wir den menschlichen Verstand eben nur genau so, wie wir ihn verstehen, nachbilden.
Nicht hingegen können wir die Möglichkeiten menschlicher Vernunft oder gar zwischenmenschlichen Gemüts im Gerät simulieren.
(Wo gemeint wird, dies zu können, ist eben nur Verstand im Spiel.)
Denkzettel 395
Manipulationen funktionieren mittels Emotionen, mithin: Irrationalitäten, nicht über Argumente. Jeder Versuch, eine Manipulation argumentativ zu bekämpfen, ist deshalb zum Scheitern verurteilt.
(Verstand ist kein adäquates Mittel, um Propaganda resp. Populismus zu entkräften. Die Habermas’sche Idee vom „eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ ist wohl ein nicht realisierbares Idyll, wenn sich nicht alle auf eine gemeinsame Diskurskultur einigen können — oder wollen, im vollen Bewusstsein der eigenen argumentativen Schwäche.)
Denkzettel 381
Es gibt keine natürlichen Gegensätze. „Gegensatz“ ist eine Kategorie des Verstandes.
Gleichwohl: Menschlicher Verstand, wie „Verstand“ überhaupt, ist ein Naturphänomen.
So gesehen ist auch „Anders“ nichts weiter als eine Verstandeskategorie, da „Gegensatz“ ein Fall von „Anders“ unter anderen.
Mithin: Natur ohne Verstand = ein undifferenziertes Ganzes?
(Und dieses mittels Vernunft vernehmbar?)
Denkzettel 364
Das mutend empfindende Gemüt, der rechnend verstehende Verstand, die vernehmend wägende Vernunft. Empfinden, rechnen, wägen: Säkular-laizistische Dreifaltigkeit. Das Kind, der Vater, die Mutter. In einer funktionalen Familie ist das Kind die Sicherung der Dynastie, des Fortbestands. Denn es wird einmal Mutter oder Vater.
Vielleicht.
Zitat 63
Man muss nüchterne, geduldige Menschen schaffen, die nicht verzweifeln angesichts der schlimmsten Schrecken und sich nicht an jeder Dummheit begeistern. Pessimismus des Verstandes, Optimismus des Willens.
Denkzettel 267
Rationalität als Grundlage jeglicher Mitteilbarkeit denken: Ratio, das Verhältnis Zweier.
Dies Verhältnis sodann unabhängig von der Beziehung denken, die ästhetischer Natur sein sollte.
Relationalität, ‚Ästhetität‘ der Beziehung, Rationalität des Verhältnisses: Erkenntnisse sind rational, Urteile sind ästhetischer Natur (sinnliches Unterscheidungsvermögen).
(Der Verstand berechnet Verhältnisse, Rationalitäten, die Vernunft beurteilt die Ergebnisse relativ: relational. Der Verstand formalisiert ohne Inhalt, die Vernunft bringt den Inhalt ins Spiel.)
Denkzettel 250
Moral verhält sich zu Ethik wie Schönheit zur Ästhetik: Ersteres ist empirisch, letzteres epistemisch. Letzlich ist Letzeres der Versuch, Ersteres in eine Berechenbarkeit zu bringen, wenn nicht gar zu zwingen; also der Versuch, mit dem Verstand zu verstehen, zu vermessen, was mit der Vernunft vernommen wird.
Doch die Vernunft lässt sich letztlich wohl nicht vermessen wie der Verstand; der Versuch ist vermessen.
(Es wird wohl immer ein quantitativ unbestimmbarer Rest des Moralischen und Schönen bleiben, der sich dem Verstand entzieht und deshalb nicht unvernünftig ist.)
Denkzettel 230
Das Gemüt balanciert Vernunft und Verstand, die Vernunft Gemüt und Verstand. Der Verstand, das ergibt sich nun, Vernunft und Gemüt. Doch was heißt: „Vernunft und Gemüt in Balance“ rational?