Das Verhalten eines Anderen erscheint vielleicht nur deshalb irrational, weil der Zugang zu seiner Axiomssphäre fehlt, die bei gleichen Regeln unterschiedliche Folgerungen zeugt: Ohne Empathie kein kleinster gemeinsamer Nenner „Rationalität“?
Schlagwort: Rationalität
Denkzettel 289
Rationalität — der kleinste gemeinsame Nenner mannigfaltiger Denkarten und ‑weisen?
(Und dem entsprechend schwach auf der Brust, wenn’s um’s konkrete Leben eines Subjektes geht…)
Ausgeartet zu einem Rationalismus kann sie dann allerdings zum alles bestimmen wollenden Zähler mutieren.
Denkzettel 267
Rationalität als Grundlage jeglicher Mitteilbarkeit denken: Ratio, das Verhältnis Zweier.
Dies Verhältnis sodann unabhängig von der Beziehung denken, die ästhetischer Natur sein sollte.
Relationalität, ‚Ästhetität‘ der Beziehung, Rationalität des Verhältnisses: Erkenntnisse sind rational, Urteile sind ästhetischer Natur (sinnliches Unterscheidungsvermögen).
(Der Verstand berechnet Verhältnisse, Rationalitäten, die Vernunft beurteilt die Ergebnisse relativ: relational. Der Verstand formalisiert ohne Inhalt, die Vernunft bringt den Inhalt ins Spiel.)
Quell der Rationalität
Versuch einer kurzen Mediation zwischen Rationalität und Irrationalität.
Vielleicht ist es ja nicht das Schlechteste, wenn die Rationalität der Irrationalität einen Rahmen gibt, einen Raum, ein Geviert schenkt. Wie es schon seit langem in Delphi geschrieben steht: μηδὲν ἄγαν (meden agan, „nichts im Übermaß“). Die Form, das Formale, würde dann einem an sich konturlosen, überschießenden Inhalt die Möglichkeit zur Gestaltung eröffnen.
Das Rationale vermag das Irrationale zu begrenzen, nicht indes zu vernichten. Die Rationalität so einmal als der äußere Rand des Irrationalen gedacht. Mithin die Rationalität eine Ausgeburt, eine kalte Erstarrung eines heißen, brodelnden, eruptiven irrationalen Stroms. Die Vulkanier lassen grüßen!
Aus der Erfahrung. — Die Unvernunft einer Sache ist kein Grund gegen ihr Dasein, vielmehr eine Bedingung desselben.Friedrich Nietzsche
Zugleich hat die Irrationalität den Rahmen zu sprengen, sich keiner Form zu unterwerfen. Aus einer solchen Wechselwirkung entsteht Dynamik — relationale Vernunft. (Und nicht rationaler Verstand, worauf Nietzsche sich wohl bezog.)
Die dann weder dem Verstand noch dem Gemüt einen Vorrang gewährt. Sondern eben so wirkt, dass eine Balance ermöglicht wird, die in Bewegung gründet und nicht in Starre.
Ob nun die Form, das Formale, aus Logik, Mathematik, Ritus oder Kunst besteht, bleibt sich dann gleich: Es ist erkaltete Irrationalität.
Und Philosophie könnte nun als Arbeit der Erkaltung angesehen werden. Das Pusten auf die Irrationalität, auf dass sie eine Form fände und begreifbar werden möchte, vermittels der Rationalität. Es könnte allerdings auch als das Vorwagen in den heißen, brodelnden Schlund verstanden werden, auf ein Entgegenkommen des Quells all der Hitze zu.
Bei Ersterem zeigt sich die Philosophie wohl als eine Wissenschaft, bei Letzterem als eine Kunst. Im Ersteren zeigt sich der Mensch als ein animal rationale und homo faber, als (be)rechnender Mensch, im Letzteren als ein animal irrationale und homo artifex, als (er)schaffender Mensch.
Und treten nun beide in eine Wechselwirkung, gegenseitig das Übermaß des anderen verhütend, zeigt sich die Selbsterkenntnis im stimmigen Maß.
In eine Wechselwirkung, den Brüdern Apollon und Dionysos vielleicht gleich, die beide verschränkt. Ihr Verhältnis als Beziehung vitalisierend. Die das Übermaß, welches die Erkenntnis des Selbst zu verschleiern vermag, begrenzt. Eine notwendige Begrenzung, womit jeder für sich überfordert wäre.
Philosophie dann, so einmal in Szene gesetzt, weder Wissenschaft noch Kunst und auch nicht sowohl das Eine als auch das Andere. Wohl indes dann jenes, welches zwischen beiden ist und uns als Vernunft vernehmbar wird. Reine, eiskalte Wissenschaft ist genauso zum Untergang verdammt wie reine, überhitzige Kunst. Verstand und Gemüt bleiben ohne Vernunft für sich allein und gehen an ihrem Übermaß ein. Der Einsamkeit wegen.
Erst das Miteinander, Durcheinander, das Verwickelt sein, Involviert sein, zeitigt den Funken der Vernunft. Um beide notwendige Weisen des humanen Daseins zu vermitteln, im ständigen Fluss zu halten. Um eine Welt vernehmbar zu machen.
Denkzettel 230
Das Gemüt balanciert Vernunft und Verstand, die Vernunft Gemüt und Verstand. Der Verstand, das ergibt sich nun, Vernunft und Gemüt. Doch was heißt: „Vernunft und Gemüt in Balance“ rational?
Denkzettel 227
Nichts gegen Rationalität. Wenn sie gut eingesetzt ist, ist sie Medium, nicht Werkzeug. Und ‑ismen sind Werkzeuge. Rationalismus ist ein Werkzeug, als Medium getarnt daherkommend. (These. Oder Hypothese?)
Denkzettel 226
Mich interessieren Meinungen mehr als Argumente. Argumente können nach Bedarf gebaut werden, die Meinung sagt etwas über den Menschen. Und der interessiert mich. Als solcher. Weil ich Mensch bin.
(Ich könnte auch sagen: Die Meinung gibt dem Argument einen Wert. Oder auch: Ein Gewicht.)
Und weshalb? Und wozu?
Ich möchte zuallererst Ästhet sein und zuallerletzt Rationalist.
(Wissen ist ein Werkzeug, der Umgang damit kann rational gelehrt werden; Weisheit eine Einstellung. Der Umgang damit will ästhetisch geübt sein.)
Denkzettel 216
Die Frage darf, kann und will gestellt sein, inwieweit uns ein Primat der Rationalität (selbige verkörpert z. B. durch die Wissenschaft) nicht letztlich von unserem Habitat entfremdet. Gelingt dem Menschen die Regulation des Klimawandels auf Basis wissenschaftlicher Methodik, wird er mit der Hybris der Allregelgewalt in sein Verderben rennen. (Das freilich rein hypothetisch.)
Denkzettel 210
Mythos Rationalität.
Oder doch: Dogma Rationalität?