Denkzettel 484

Phi­lo­so­phie kann als Wis­sen­schaft ver­stan­den und all so be­trie­ben wer­den, doch dar­in er­schöpft sich das Ver­ständ­nis kei­nes­wegs. Phi­lo­so­phie re­flek­tiert die Ge­gen­wart, wie es Kunst auch tut. Doch im Ge­gen­satz zur Kunst schafft sie nichts, sie re­flek­tiert und ver­än­dert zu­wei­len das Be­wusst­sein der Schaf­fen­den. So ist sie kei­ne Wis­sen­schaft — weil sie et­was schaf­fen kann, das kein „Wis­sen von“ ist. Es soll­te Weis­heit sein: Ein „Wis­sen um“ je­nes, das man tut.

Oder: Phi­lo­so­phie als Mü­he­wal­tung zum Wis­sen, was man tut.

Denkzettel 225

Wis­sen­schaft­ler und Lei­den­schaft­ler. Die Ers­te­ren (ver)schaffen Wis­sen, die Letz­te­ren Lei­den. Ers­te­re füh­len sich der Ra­tio­na­li­tät ver­pflich­tet, letz­te­re sind dem Äs­the­ti­schem freund­lich ge­sinnt.

(„Lei­den“ wie in: „Dich kann ich (nicht) gut lei­den.“)
(Und ja: Es gibt lei­den­schaft­li­che Wis­sen­schaft­ler, im Gu­ten wie im Bö­sen, wie es in bei­dem wis­sent­li­che Lei­den­schaft­ler gibt.)

Denkzettel 217

Wes­sen hal­ber doch ei­ni­ge der jun­gen Men­schen wohl so auf die Wis­sen­schaft – i. S. ob­jek­ti­ver Em­pi­rie – bau­en für ih­re Ar­gu­men­ta­ti­on für Die­ses, wi­der Je­nes? Nun, viel­leicht ja des­sen hal­ber, als sie die Dra­ma­tik der bren­nen­den Hüt­te mö­gen (Krie­ge und an­de­res Un­bill ha­ben sie ja i. A. we­der di­rekt noch in­di­rekt als un­mit­tel­ba­re Nach­fol­ge­ge­nera­ti­on er­lebt, hun­gern in­des nach Grenz­erfah­rung, die den Men­schen ja (er)wachsen lässt) und sie zu­gleich die per­sön­li­che Em­pi­rie ei­nes Feu­er­wehr­haupt­men­schen noch nicht in ih­re un­mit­tel­ba­re Er­fah­rungs­welt ein­bau­en konn­ten.
(Was nicht heißt, Feu­er­wehr­ober­en­de könn­ten nicht ir­ren.)

Denkzettel 216

Die Fra­ge darf, kann und will ge­stellt sein, in­wie­weit uns ein Pri­mat der Ra­tio­na­li­tät (sel­bi­ge ver­kör­pert z. B. durch die Wis­sen­schaft) nicht letzt­lich von un­se­rem Ha­bi­tat ent­frem­det. Ge­lingt dem Men­schen die Re­gu­la­ti­on des Kli­ma­wan­dels auf Ba­sis wis­sen­schaft­li­cher Me­tho­dik, wird er mit der Hy­bris der All­re­gel­ge­walt in sein Ver­der­ben ren­nen. (Das frei­lich rein hy­po­the­tisch.)

Denkzettel 118

Viel­leicht soll­te in der Phi­lo­so­phie zwi­schen der Philosophie als Wis­sen­schaft, ei­nem ver­stan­des­ge­trie­be­nen, ra­tio­nal-dis­kur­si­ven „Re­den über“ und der Philosophie als Le­bens­art, ei­nem ver­nunft­ge­tra­ge­nen, re­la­tio­nal-nar­ra­ti­ven „Re­den von“, un­ter­schie­den wer­den.

Bei­de äu­ßern sich zur in­tel­li­gi­blen Wirk­lich­keit, die wir mit un­se­ren Wahr­hei­ten zu­sam­men( )bau­en.

(Es ist klar, dass die Philosophie als Le­bens­art mehr (auf)zeigt denn die Philosophie als Wis­sen­schaft (aus)sagen kann. »non vi­tae sed scho­lae di­sci­mus« — nicht für die Wis­sen­schaft, für das Le­ben soll­ten wir phi­lo­so­phie­ren. Gleich­wohl: die Wis­sen­schaft ist Teil des Le­bens.)