Denkzettel 376

Wir kön­nen zu ei­ner sog. KI nicht sa­gen: Du bist weiß! Du bist alt! Du bist männ­lich! Du bist weib­lich! Du bist ho­mo­se­xu­ell! Du bist he­te­ro­se­xu­ell! Du bist links! Du bist rechts! Du bist li­be­ral! All dies und noch viel mehr kön­nen wir ei­ner sog. KI nicht zu­schrei­ben, denn ei­ne sol­che ist Men­schen­werk, doch nicht mensch­lich. Schrei­ben wir ihr viel­leicht ge­nau des­we­gen ei­ne Kom­pe­tenz zu, die un­se­re ei­ge­ne übersteigt?

(Und ver­su­chen frei­lich ge­nau das so­gleich wie­der ein­zu­fan­gen, z. B. durch ei­nen Ethik­rat. Aus Furcht, die sog. KI kön­ne uns über den Kopf wachsen?)

Denkzettel 355

Be­wusst­sein ist und „be­wusst sein“ heißt da sein, prä­sent sein, ge­gen­wär­tig sein. Ein Martin Heidegger macht aus die­sem Ver­bum ein Sub­stan­tiv und be­zeich­net den Men­schen so: Da­sein. Doch die­se Sub­stan­ti­vie­rung täuscht leicht dar­über hin­weg, das Be­wusst­sein nichts Sta­ti­sches ist, son­dern sich in stän­di­ger Ver­än­de­rung be­fin­det. Was heißt al­so: Ein Mensch ist sich sei­ner bewusst? 

Denkzettel 352

Mensch hat kein Be­wusst­sein von ei­nem „Ich“ oder ein „Ich“ mit Be­wusst­sein — das Be­wusst­sein ist das „Ich“.

Mit ei­ner sol­chen An­nah­me ver­schwin­det das Sta­ti­sche, Über­dau­ern­de am „Ich“; es wird zu ei­ner an­dau­ern­den Kon­sti­tu­ti­on (was ei­nen stän­di­gen Wan­del be­deu­tet) des Le­be­we­sens sei­ner selbst für sich. Zu wel­chem Be­huf auch im­mer. (Das „Ich“ von eben mit­hin das Glei­che, doch nicht das Sel­be wie je­nes in Kürze.) 

Denkzettel 172

Wahr­heit ist ein Pro­dukt des mensch­li­chen Ver­stan­des und hat mit Ma­te­ria­li­tät nichts zu tun. Oh­ne den Men­schen gibt es nichts Wah­res, nichts Fal­sches, nichts Rich­ti­ges. Wohl in­des gibt es – zu­min­dest ist die­se An­sicht aus gu­ten Grün­den glaub­wür­dig – auch oh­ne Men­schen ei­ne Wirk­lich­keit des Ma­te­ri­el­len. Was al­ler­dings für den Men­schen auch nur ei­ne un­be­weis­ba­re Idee ist, al­so ei­ne me­ta­phy­si­sche An­nah­me. Und was wür­de es ei­ner Welt oh­ne Men­schen aus­ma­chen, wenn die­se un­wahr wä­re? Nichts — denn ei­ne Welt oh­ne Men­schen ist für den Men­schen sinn­los: so kann für den Men­schen ei­ne Welt nur aus rei­ner Ma­te­ria­li­tät nicht exis­tie­ren. Die Welt der Men­schen ver­schwin­det mit dem Tod des letz­ten Men­schen, wie mit dem Tod ei­nes Men­schen des­sen Welt er­lischt. Was dann noch ist, ob dann noch et­was ist, kön­nen wir ein­fach nicht wis­sen. Wir kön­nen es nur glau­ben. Denn wir kön­nen es we­der fal­si­fi­zie­ren noch ve­ri­fi­zie­ren. Wo­zu auch?