Die Entfremdung des Verstandes von der Vernunft durch die Aufklärung.
(Die Entfremdung von der wilden Natur durch zivilisatorische Kultur.)
Die Entfremdung des Verstandes von der Vernunft durch die Aufklärung.
(Die Entfremdung von der wilden Natur durch zivilisatorische Kultur.)
Nobel geht die Welt zugrunde/zu Grunde.
Das will hier meinen: Es gibt dem Menschen Nobilität, dass dieser seiner Welt auf den natürlichen Grund gehen (insofern es nur einen solchen gibt) und zugleich sich über deren kultürlichen Gründe zergehen kann. Vielleicht gäbe es weniger Zank, wenn es viele naturelle Gründe, indes nur einen kulturellen Grund gäbe.
Erster Absatz, »Wir befinden uns[…]« Ja, was denn nun? Beherrschen wir die Natur oder zwingt sie uns? Und wenn wir sie »quasi beherrsch[.]en«, wie kommt die Natur dazu eine eigene Dynamik an den Tag zu legen und die »Prämisse [ihrer] Vorhersehbarkeit« zu unterminieren? Frechheit! Und dann legt sie auch noch diese »eigene Dynamik an den Tag, für die der Mensch verantwortlich gemacht wird« Mit Verlaub: Hä?
Der Satz will mir Sinn geben, wenn Mensch als Teil der Natur aufgefasst wird. Wenn wir allerdings ein solcher sind, werden wir wohl kaum uns selbst beherrschen können. Auf die Idee kam, metaphorisch, schon ein gewisser Herr Münchhausen, der behauptete, sich selbst an den Haaren aus dem Sumpf gezogen zu haben. Samt Pferd, soweit mir bekannt. Und wer die »dynamische Substanz der Natur zu begründen« sucht will sie ja wohl letztlich, ganz im Kolonialist*n‑Stil, beherrschen, der Vorhersagbarkeit wegen. Und unser proaktives Handeln als auch unser reagierendes Verhalten, also unser gesamtes Agieren, verändert nun mal das Ganze, die Harmonie, wie wir sie sehen (und vielleicht nur wir; sieht ein Hund irgendwelche Harmonie?), mithin inklusive. Dass die Natur harmonisch sei ist ein Annahme, die ich mal in unserer Musikalität verorten würde und dieses Konzept schon mit Platons Sphärenmusik auf das Geschehen, in das wir nicht nur involviert sind, sondern als mächtige Akteure mitgestalten, übertragen wurde. Und wer als Mensch in sich selbst, mithin nicht nur in seine, sondern der Natur als solcher, hineinsieht, wird feststellen: Alles Rhythmus. Weswegen Mensch wohl auf die Idee kam, es gäbe Regeln. Wegen regelmäßig, und so.
»Gleichzeitig ist auch die menschengemachte Kultur, als Gegenteil[…]« Das nun wieder typisch christlich-FAZ-kolonialistisches, mithin, Herr Nietzsche, nicht wahr, allzumenschliches Verständnis des Menschen, der sich Natur mittels Kultur untertan machen möchte. Immerhin erscheint im Kontext dieses zweiten Absatzes das Wort »fraglich« und, endlich, weshalb nicht gleich zu Anfang: »kann die dualistische Trennung von Natur und Kultur nicht mehr aufrecht erhalten werden«. Keine Indigenen, ob alpenländische Bergbäuerinnen oder in den Untiefen brasilianischer Urwälder kulturende Männer brauchen eine «postkantische Philosophie« um zu dieser Einsicht zu gelangen. Das Ausgesetztsein in und der Natur, und so auch in und der eigenen, reicht da völlig. Raum und Zeit für die nötige Reflexion bietet da wohl allein schon die kurze Pause beim Heuen oder der Blick ins Feuer in der Nacht.
»Wir haben Sachen angestoßen, über die wir die Kontrolle verloren haben.« So kann man das freilich sehen, wenn man sich als Krönung der Schöpfung und über der Natur stehend verortet. Was nun, indes, wenn das, was wir tun, Teil des Naturgeschehens ist, wie auch das große Fressen der Dinosaurier, in ihrer unersättlichen Gier, ihrer Größe geschuldet, wohl auch zu ihrem Aussterben beigetragen hat? Freilich fällt es schwer sich vorzustellen, Dinosaurier*innen wären selbstreflexiv gewesen. Doch mal angenommen, das Spiel sei erlaubt, sie hätten es gekonnt: Wären sie je auf die Idee gekommen, sie hätten mit ihrer Fresserei etwas angefangen, über das sie die Kontrolle verloren hätten? Und abgesehen davon: Wer Kontrolle verliert, muss sie zuvor haben. Und Mensch als solcher mag ob dem Acker- und Kanalbau, der Atomspaltung, der Raumfahrt u. dgl. m. meinen, es kontrolliere irgendwas. Letztlich ist es nur am Spielen und, ein gewisser J. aus N. soll das als berühmte letzte Worte wohl geäußert haben, wisse gar nicht, was es tut. Wer nicht weiß, was sie tut, kann auch keine Kontrolle verlieren. Er hat sie ja gar nicht. Denn dann wüsste sie, was er tut. Und wer weiß, was sie tut, wird Handlungen unterlassen, die ihm schaden. Alles andere wäre pure Dummheit.
Der zweite Absatz endet mit der Frage: »Was will die Natur?« Die Frage ist wohl eine pantheïstische und hinter ihr steht die alte Idee eines personalen Gottes. Der Natur ein Wollen zu unterstellen ist denn auch wieder so eine monotheïstisch-kolonialistische Grundhaltung, wie diese eben auch das, was mit „Gott“ bezeichnet wird, einen Willen unterstellt — um den eigenen zu rechtfertigen. Das „Dein Wille geschehe“ im Vaterunser bedeutet für den innaturierten Menschen schlicht nichts anderes als: „Mein Wille geschehe“. Schopenhauer und Nietzsche lassen herzlich grüßen.
Dritter Absatz, da wird jetzt geholzt. »[S]äkulare Naturphilosophie«? Nochmal mit Verlaub: Im Kontext des Beitrags klingt das völlig lächerlich. Mich deucht eher: Wo Kultur, da ist auch immer ein Klerus. Meistens ist wohl der allzumenschliche Wille zum Glauben an sich selbst die treibende Kraft, Kultur sprießen zu lassen. Das wird sich seit Prometheus nicht groß geändert haben. Und in diesem Absatz nun taucht der Terminus »gottlose[.] Naturwissenschaft[..]« auf. Oben ist vom Willen der Natur und von primordialer Vorhersagbarkeit derselben die Rede. Ja, um Himmels Willen, wie kann den Naturwissenschaft betrieben werden, wenn nicht der Natur ein Ziel unterstellt wird? Wie man „Gott“ gerne Ziele unterstellt, um Theologie betreiben zu können. Die ganze Naturwissenschaft mächte gar keinen Sinn, wenn ihr nicht eine Teleologie unterstellt wird, denn ohne eine solche wäre die Hauptaufgabe der Naturwissenschaft, Naturgeschehen vorherzusagen, um den gestylten Menschen vor der wilden Natur zu retten, ja gar nicht möglich, nicht wahr. So betrachtet ist die Naturwissenschaft alles andere als gottlos. Sie nennt ihren Gott nur einfach: Logik. Oh, Verzeihung, Rationalität, natürlich. (Für welche sich die FAZ in den Augen des Verfassers dieser herätischen Zeilen ja geradezu berufen fühlt, ob von Gott oder der Menschheit, weiß ich jetzt auch nicht. Ist ja allerdings auch nicht Thema.)
Die Frage »Soll man die Autarkie der Natur stark machen oder der Denaturalisierung der Natur ins Auge blicken?« findet sich im vierten Absatz. Was, bitte, soll diese Frage be‑, also andeuten, worauf will sie hindeuten? Gewährt der Mensch der Natur etwa Autarkie? Oh, wie großzügig! Natur, lasst es euch gesagt sein, ist alleine groß. Sie bedarf der Sorge des Menschen nicht. Und so gesehen, ist es dem Menschen als Menschheit offenbar möglich, Natur zu Denaturalisieren. Aha. Er mag die mit ihm in die Welt gekommene Kultur dekulturalisieren können und also verkommen lassen (und wenn man sich gewisse Herren und wohl auch Damen des Charakters eines gewissen Herrn P. aus M. so ansieht, ist der Gedanke dieser Macht einzelner Menschen über die Menschheit wohl nicht allzuweit hergeholt) — doch die Natur ihres Wesens entheben? Mit Verlaub: Da enthebt sich der Mensch dann wohl seiner selbst und wird: unmenschlich. Und das ist ziemlich unnatürlich.
Fünfter und sechster Absatz, zur Politik. Politik ist eine Kulturleistung des Menschen, es meint die Kunst, in einer Polis so zu hausen, dass es zum Wohnen wird. (Man mag über Heidegger denken was man will, doch solche Formulierungen sind doch ehrlich herrlich, oder?) Polis nun ist keine Kulturleistung, sondern schlicht ein Phänomen des Sozialen im Menschen, das natürlich in ihn hineingelegt wurde — haha, der Schreiber ist nun selbst auf die Versuchung einer wollenden Natur hereingefallen, die da dann irgendwas in den Menschen hineingelegt hätte. Vielmehr ist es dann doch wohl so, dass das Soziale zur Natur des Menschen und auch zu so manch anderen Tieren gehört. Und es sind ja nun nicht nur Menschen, die sich in Policen (Das ist ein Witz! Versicherung; Mensch, unsicher, verstehen Sie?) zusammen finden, Termiten machen das auch. Und Erdmännchen (samt Weibchen, freilich; der Arterhaltung wegen, sehr natürlich). Was nun allerdings, zurück zum Thema, Kultur ist, ist das Wie, die Kunst im Sinne von befähigendem Können, dieses sozialen Zusammenkommens. Es gibt also wohl Kulturen der Polis, die recht unterschiedlich auftauchen können. Und diese Kulturen unterscheiden sich dann auch noch in den Erscheinungsformen von den in konservativen Kreisen hochgelobten Familie (hier gezählt ab zwei Personen) bis zu progressiv anmuteten Größtstädten. Doch es sei eingedacht: Diese Kunst, téchne im Altgriechischen, hier latinisiert gesetzt, gehört zum natürlichen Repertoire des Menschen. Man mag nun politisch dazu kommen, der Mensch trage dafür auch die Verantwortung, mithin für alles, was Kultur hervorbringt. Doch, ehrlich: Tut er das? Letztlich doch wohl nur, wenn er sich hybrisant über die Natur stellt. Unterlässt er dies, erliegt er dieser Versuchung nicht, braucht er sich über Verantwortung auch keinen Kopf zu machen.
Doch, es ist wohl eben schon seit Prometheus’ Zeiten für den Menschen zu spät. Es ginge ja vielleicht doch wohl an, der Mensch sei dazu da, sein Habitat schnellstmöglichst zu zerstören, auf dass er sich aufmachen müsse, pflichtengleich, in ferne Welten, Galaxien, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Wohlan, dieser Akt rette die Menschheit! Natürlich ist es dann so, das menschliche Kultur die allerhöchste ist und der Rest des Universums in diesem Sinne zu kolonisieren ist — wir sind ja alle gleich, nicht wahr, des Universalfriedens wegen. Ach Mensch, Deine natürliche Kultur macht Dich zu nichts anderem als zu einer Plage. Doch wohlan, „Gott“ erschuf dies alles und hat sich ja wohl dabei was gedacht! Und wir wissen zwar noch nicht wozu Heuschreckenschwärme gut sein sollen, doch wir werden es irgendwann wissen. Fleischersatz? Ja, dann hurtig ein für die Viecher günstiges Klima schaffen und sie die letzten Reste kahlfressen lassen, so gemästet einfangen mit allerlei technischem Gerät und dann: Verspeisen. Oder als platzsparende Nahrung für Raumfahrer*n verwursten. Man muss ja gucken, dass man wegkommt.
Zum letzten Absatz des Zeitungsberichtes erlaube ich mir zu kommentieren: Die natürliche Kultur des Menschen bietet auch die Bedingung zur Möglichkeit sich in der Kunst der Unterlassung zu üben.
Vielleicht ist gut darin getan, bei den Angelegenheiten der Natur nicht von Gesetzen, sondern von Regelmäßigkeiten zu sprechen.
Wenn du in Harmonie mit der Natur lebst, wirst du nie arm sein; wenn du nach dem lebst, was andere denken, wirst du nie reich sein.
„Naturrecht“ ist genau der selbe formulatorische Unfug wie „Naturgesetz“. Recht und Gesetz ist Zivilisation, der Firnis (vielleicht auch: die Finesse) unserer Kultur. Die sich in und aus unserer Natur, unserem Wesen, unserer Art und Weise, unserem Sehnen nach Regelmäßigkeit, nach: Rhythmus, evolutioniert hat. Das in dem, was wir mit „Natur“ bezeichnen und in das wir gesetzt sind, gründet.
Das auf und aus einer Ursache eine Wirkung folgt, die wir regelmäßig beobachten können, ist kein Gesetz und somit lässt sich daraus kein Recht ableiten. Es ist eine Weise, wie wir naturgegeben Welt vernehmen, koordiniert nach Raum und Zeit.
Zum einen sind die Naturwissenschaften, die die Welt – mit der Rationalität des Verstandes – vermessen.
Zum Anderen die Kulturforschungen, die die Welt – mittels der Relationalität der Vernunft – ermessen.
(Die Rede von „Geisteswissenschaften“ sollte fallen gelassen werden.)
Philosophie sollte die Grundlage allen Ermessens bilden, allen Denkens.
Wie Mathematik die allen Vermessens, allen Rechnens, sein sollte.
(Die Logik der Mathematik sollte von der Logik der Philosophie unterschieden werden.)
(Es rät sich wohl, beides weder zu verwechseln noch zu vermischen und so also voneinander gut geschieden zu halten, um keines zu verwässern. Die Differenz, die Spannung, ist wichtig. Ohne sie findet keine Wechselwirkung statt, nichts fließt. Zugleich sollten sie nicht als Widersacher verstanden werden: Ein Strom fließt, kraft Spannung, die eine Differenz zeitigt, doch immer zwischen den mindestens zwei Aspekten einer Differenz. Erst eine Differenz bringt Energie zum Fließen, macht sie so vernehmbar, messbar: „panta rhei“.)
(Und ich glaube: Zunächst hat der Mensch die Welt ermessen, bevor er sie zu vermessen begann. Erst kamen die Götter, dann die Rechenmaschinen. Vor dem Rechnen war das Denken. Heutzutage, so dünkt mich, wird erst gerechnet, dann mit den Ergebnissen ‚gedacht‘ und dies dann Fortschritt genannt. Wehe uns: ‚Gott‘ ist tot. Gedenke des Denkens!)
Der ältere Philosophiestudent sitzt in den Veranstaltungen wie ein/e Aborigine oder Maori oder wie andere welt- und lebenserfahrene Indigene: Er versteht, was gesagt und gemeint wird. Doch was sich ihm zeigt, ist eine naturlose Kultur.